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Mit sich und dem getroffenen Arrangement zufrieden schloss die Lehrerein die Wagentüre und sperrte mit dem Schlüssel ab. Der Wagen parkte nun so, dass die Windschutzscheibe genau zur Sonne stand, und das dunkelrote Firmenfahrzeug würde binnen Minuten den durch das Öffnen der Türe entstandenen Wärmeverlust kompensiert haben. Die Japanerin stieg wieder in ihr Auto und startete den Motor, um sich durch die starke Klimaanlage kühlen zu lassen. Sie wartete noch einige Minuten, um sicher zu gehen, dass sich Yoko tatsächlich keinen Millimeter rührte und verließ dann den Parkplatz. Ihr Ziel waren jedoch nicht die Villen der Reichen in Beverley Hills sonder ein großes Einkaufszentrum unweit des Willsher Boulevards, welches sich rühmte, praktisch „alles für jeden Zweck“ anzubieten. Dort betrat sie ein Spezialgeschäft für Armyausrüstung. „Ich brauche den wärmsten Mumienschlafsack, den sie im Programm haben“ erklärte sie dem Verkäufer, und ließ sich zufrieden einige Exemplare vorlegen, die für den Outdooreinsatz bis minus 30 Grad geeignet waren. „Wofür brauchen sie ihn denn?“ „Es ist ein Geschenk, gebraucht wird es erst im Winter für einen Trip nach Alaska“ log die Japanerin erneut. „Warum“ „Wir haben da im Angebot noch zusätzliche Innenhüllen, eine aus Flanell, eine aus Polarfleece und dann noch eine Extremversion aus zwei Lagen, Schurwolle und Polarfleece, wobei man entscheiden kann, was man innen haben will. Wenn sie allerdings mich fragen, ist diese Hülle für sich allein schon ein Schlafsack, der nur für Frostbeulen geeignet ist“ „Zeigen sie mir diese Version bitte mal“ bat Ms. Tashiko mit sichtlichem Interesse. „Perfekt, geben sie mir bitte zwei Stück davon“ „Von DEM warmen Exemplar“ wunderte sich der Verkäufer „Ja, ich will sie getrennt vom Daunenschlafsack zum Kuscheln verwenden“ „Ach so“ „Haben sie auch andere Wollsachen, oder warme Unterwäsche?“ „Wollsachen weniger außer am Kragen von diesem Fleeceshirt. Aber Unterwäsche haben wir in jeder Qualität. Nach kurzer Prüfung verließ die Japanerin den Laden mit sechs Garnituren der wärmsten Thermounterwäsche, drei Balaclavas, einem Fleeceshirt mit Kapuze und Schurwolle am Kragen und Bündchen und besagten Schlafsäcken. Kurz bevor sie das Geschäft verließ, entdeckte sie noch mattschwarze Handschellen, und lange Nylongurte, die für das Befestigen von Zelten und Packstücken gedacht waren, und einer plötzlichen Eingebung folgend erwarb sie noch schnell vier Paar Handschellen und ein Duzend dieser Gurte.
Der Verkäufer, der ihr die Sachen zum Wagen trug, gab ihr noch den Tipp, zum nahen Sportfachgeschäft zu schauen, weil die mehr auf Mode und damit auch auf Wollpullover und so spezialisiert war, und vermutlich auch im Sommer die eine oder andere Wollkollektion im Programm haben würde. Tatsächlich wurde Ms. Tashiko dort auch fündig, und nachdem sie mit der Firmenkreditkarte – einer goldenen Mastercard ihre Bereitschaft signalisiert hatte, einiges Geld im Laden zu lassen, ließ ihr der Abteilungsleiter eigens einige besonders warme Exemplare aus dem Lager holen, wo diese schon auf die nächste Wintersaison im nicht allzu fernen Aspen/Collorado warten hatten sollen. Mit sicherem Auge wählte sie ein halbes Duzend warmer Rollkragenpullover aus Wollmischungen, dazu Schals, Handschuhe, Mützen und wurde sogar auf dem Sektor Wollstrumpfhosen bzw. Strickleggins fündig, wobei sie nicht nur Schurwolle, sondern auch Angora und Mohairleggins fand. Nachdem sie auch da gründlich zugeschlagen hatte, ließ sie sich alles zum Wagen tragen und beschloss, sich noch eine kühle Erfrischung zu gönnen, bevor sie zu Yoko zurückkehren würde. Die Japanerin hatte sie schon beim Verlassen des Wagens ausgezogen und trug nur noch einen dünnen Kurzarmpulli zum Rock. Die beiden Rollkrägen waren nur Strickschläuche aus Wolle und einzeln zu tragen. Während der eine genau zum Pulli mit dem Rundhalsausschnitt passte, war der andere überhaupt ohne zugehörigem Pullover darunter geschoben worden. Bei den Manschetten war es ähnlich, sie endeten noch vor dem Ellenbogen, und waren so angeordnet, dass es den Eindruck erweckte, sie trüge zwei warme Rollkragenpullover unter der Kostümjacke, obwohl sie sich binnen Sekunden der vier Zusatzteile entledigen konnte, und so ohne Jacke nur noch einen ärmellosen Pullover trug. Auch die warme Strumpfhose hatte sich als Overknees entpuppt, und so hatte es nicht lange gedauert, bis die Japanerin wesentlich passender für einen Nachmittag in kalifornischer Frühlingsluft gekleidet war. Gemütlich einen Eistee trinkend dachte sie genüsslich darüber nach, wie lange sie das Mädchen wohl in ihrer Gewalt behalten konnte.
Yoko war inzwischen einer Ohnmacht nahe. Die Hitze im Wagen war unerträglich und die Wolle in ihrem Gesicht klebte förmlich auf der Haut, wo sie ob des Mohairanteils extrem unangenehm juckte. So schien es ihr eine Ewigkeit zu dauern, bis sie endlich den Anruf erhielt, der es ihr erlaubte, die Kapuze soweit zu locker, dass sie durch einen schmalen Schlitz zwischen Mütze und Schal die Straße sehen konnte. Nach dem Start des Motors setzte die Klimaanlage ihr grausames Werk fort, und Yoko freute sich schon auf ihr kleines Haus direkt am Strand. Die Company hatte einige dieser kleinen Bungalows für Mitarbeiter erworben, und vermietete sie relativ preisgünstig. Zudem lag er verkehrsgünstig westlich des LAX (dem international Airport der Stadt und somit auch in der Nähe der Firmenzentrale). „8255 Vista del Mar“ hieß die Anlage mit kleinem Hafen, Sandstrand und Sportanlagen. Doch etwa drei Kilometer vor dem Ziel konnte Yoko einfach nicht mehr. Vor ihr eine Kolonne von mindestens 40 Fahrzeugen, die an einer Baustelle mit Gegenverkehr vorbei wollten und in ihrem Fahrzeug bestimmt mehr als 50 Grad. Bevor sie tatsächlich zusammenklappte fuhr sie in eine kleine Parkbucht, stellte den Motor ab und öffnete die Fahrertüre. Den Schal vom Gesicht zu ziehen war zwar eine enorme Versuchung, doch sie schaffte es gerade noch, sich zu beherrschen. Tashiko-sensei war ihr gefolgt, man konnte jedoch unschwer erkennen, dass sie einigermaßen verärgert war. Nicht nur das unerlaubte Anhalten und öffnen des Wagens störte sie, sondern vor allem auch, dass sie mit ihrer notgedrungen wieder angelegten Verkleidung aus dem gekühlten Wagen steigen musste, erhöhte ihren Groll gewaltig.
„WAS SOLL DAS BEDEUTEN? WOHNST DU ETWA HIER?“ „Nein, Tashiko-sensei, es ist nur, ich konnte einfach nicht mehr, ich glaubte, jede Sekunde in Ohnmacht zu fallen. Ich brauchte einfach wenigstens ein paar Atemzüge Frischluft“ verteidigte sich die junge Frau tapfer. „Tatsächlich?“ Die Japanerin überlegte blitzschnell. Sie hatte in ihrem Wagen die Adresse der Anlage eingegeben und kannte daher die Entfernung zu den Bungalows. „Wenn das so ist, dann sollst du Frischluft erhalten. Los, steig aus und schließ den Wagen ab, du wirst zu Fuß nach hause gehen. Welche Nummer hat dein Bungalow?“ „27, links vom Haupteingang die Straße bis zum Ende hinunter“ erklärte Yoko entsetzt von dem Gedanken, so verpackt zu Fuß dort hin gehen zu müssen. „Gut, dann steig aus, und warte noch einen Moment“ rasch ging die Japanerin zu ihrem Wagen, froh darüber, dass die Handschellen und Gurte extra verpackt worden waren. Binnen weniger Sekunden kehrte sie mit einem langen Schal, einem paar schwarzer Handschellen und einem Nylongurt mit Schnalle zurück. „Los, mach den Mantel auf“ herrschte sie die Schülerin an. Diese öffnete zuerst die Druckknöpfe, und dann den langen Reißverschluss. Rasch schlang ihr die Japanerin den Gurt zweimal um die Mitte und zog ihn so fest, dass der Verschluss am Rücken einschnappte. Dann schob sie die Handschellen durch den Gurt und ließ drängte Yokos Handgelenke mit hartem Griff in die Metallarmbänder. Sie stellte die Handschellen so eng ein, wie es über den Handschuhen ging, und schloss dann die Druckknöpfe des Mantels so, dass die kurze Ketten zwischen zwei Knöpfen hervor kam. Dann legte sie den Schal mehrfach um Yokos Hände. „Wehe du lässt den Schal fallen, und jetzt geh. Falls ich im Stau länger brauchen sollte, wartest du mit geschlossenen Augen auf der Terrasse. Aber wage es ja nicht, im Schatten zu stehen oder gar zu sitzen wenn ich komme. Und jetzt los!“ Vollkommen eingeschüchtert, verzweifelt und kraftlos macht sich Yoko auf den Weg, wobei sie erfolglos versuchte, die ungläubigen Blicke der Autofahrer neben ihr zu ignorieren. Zum Glück gab es auf dieser Zufahrtsstraße wenigstens keine Passanten, was wohl daran lag, dass man in ganz Los Angeles abgesehen vom Sport nicht ohne Fahrzeug unterwegs war.
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