Koromogae – Japanische Tradition

”Ohne die junge Frau anzusehen begann Nakamiro-San leiser, aber deshalb nicht weniger Respekt einfößender Stimme zu sprechen. „Sie haben ihrem Vorgesetzten schwere Schande bereitet“ begann er, als ob er übers Wetter sprechen würde. Yoko hatte einen Klos im Hals und konnte nur nicken. „Zudem haben sie mich persönlich enttäuscht, und ich sehe mich gezwungen, entsprechende Konsequenzen zu ergreifen“ Die Worte trafen Yoko wie Peitschenhiebe. Obwohl ihr klar gewesen war, dass genau das geschehen war, traf sie diese tonlose und teilnahmslose Stimme bis in die Knochen. Ohne auf eine Stellungnahme zu warten fuhr der Japaner fort. „Ob seiner bisherigen Erfolge werde ich ihrem Vorgesetzten die Schande ersparen, sie entlassen zu müssen. Aber es ist unumgänglich, dass sie sich die Einhaltung der Werte und Traditionen des Konzerns zu 100% verinnerlichen. Haben sie das verstanden?“ „Ja, Nakamiro-San“ flüsterte Yoko, obwohl sie versucht hatte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. So als wäre diese Antwort selbstverständlich gewesen, fügte Yokos Chef hinzu „Ich werde ihnen daher für die kommenden Wochen Ms. Tashiko als Sensei zur Seite stellen. Sie wird sie in allen wesentlichen formalen und protokolarischen Belangen des Konzerns einschulen, so dass Vorfälle, wie dieser hier niemals wieder vorkommen. Niemals wieder, habe ich mich klar genug ausgedrückt?“ „Ja, Nakamiro-San“ flüsterte Yoko erschroken. Sie hatte mit einer Entlassung oder mit einer Versetzung nach Japan gerechnet, aber hier zu bleiben, mit der Assistentin des Konzernchefs als „Lehrerin“ war die schlimmste der möglichen Varianten. Die Funktion eines „Senseis“ gab demjenigen die Rolle eines väterlichen Freundes, Lehrmeisters oder Vorgesetzten, je nach Stellung oder Auslegung. In Yokos Fall war es klar, dass damit die Rolle einer Vorgesetzten gemeint war, die über Befugnisse verfügen würde, die über ein „normales Dienstverhältnis“ meilenweit hinausgehen würden.

Dennoch hatte die junge Frau durch eine tiefe Verbeugung ihre Zustimmung gegeben und obwohl sie sich langsam klar darüber wurde, dass hinsichtlich ihrer Kleidung wohl geradezu paradiesische Zeiten hinter ihr lagen, und ihr eine schwere Prüfung bevorstand, war sie fest entschlossen, diese Strafe anzunehmen.